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Donnerstag, 19. Mai 2016, 19:19

Trennung von Forschung und Lehre

http://www.chemieonline.de/forum/showthread.php?t=231267

Zitat

quacksifax 10.05.2016 11:58
Vom Hörsaal zum Lernsaal - oder lieber nicht?

Es gibt Vorlesungen in denen einige Professoren ihren Vortrag unterbrechen mit einer Verständnisfrage an die Studenten die sie nach ein paar Sekunden aber eilig selber beantworteten so dass keiner eine Antwort ausdrücken kann. Es entsteht die Vermutung, daß Studentenantworten möglicherweise gar nicht erst erwünscht sind. .

Daß Professoren hin und wieder während der Vorlesung Fragen stellen, ist seit einiger Zeit neu. Nicht neu hingegen ist, dass Professoren zwar Interesse an ihrem Stoff ausdrücken, nicht aber an ihren Studenten, dies scheint meistens, wie immer, bei 0, zu sein.

Warum unterbrechen sich einige Professoren mit Fragen an Studenten? Im Dokument "Studentisches Feedback zu Lehrveranstaltungen" sieht man, dass die Studierenden ankreuzen sollen ob die Lehrveranstaltung interaktiv war.
War sie.
Es wurde eine Frage gestellt.
Die Studenten durften ein paar Sekunden nachdenken.

Ohne diesen Zusammenhang zu ahnen, könnte man meinen, dass die fragestellenden Professoren allen Ernstes daran interessiert seien, ihre didaktische Qualität zu erhöhen und deswegen fragen. Weiter, so könnte men vermuten, wenn nun die Professoren von allen Studenten erfahren könnten, was sie zur ihrer Frage denken und dann darauf eingehen würden, wäre das die Einleitung einer didaktischen Revolution im Hörsaal, die eigentlich sehr erwünscht sein sollte: Der Hörsaal würde zum Lernsaal.

Weit gefehlt.

Objektiv ist das Fragestellen nämlich keineswegs ein Ausdruck von Interesse an gesteigerter Didaktik, schon gar nicht an Studenten. Eine solche Steigerung nämlich wird von vielen Professoren für Zeitverschwendung gehalten: Wieso sollen sie für die Studenten etwas tun, was die Prüfungsergebnisse steigert? Diese zu steigern sei alleinige Aufgabe der Studenten, und eben grade nicht die der Professoren. Man hält die Qualität der Lehre so niedrig wie möglich und kuckt dann, wer mit Auszeichnung besteht.

Die Vermutung, Professoren wären begeistert, wenn sie wüssten, was die Studenten über ihre Fragen denken, überhaupt interessiert, wenn sie wüssten, was in den Studenten während der Vorlesung vorgeht, geht völlig daneben.

Objektiv ist den meisten eine Antwort auf eine Frage, die sie stellen, völlig egal, ebenso, wie die Studenten auf ihre Vorlesung reagieren, die ja sowohl für Professoren als auch Studenten teilweise nur lästige Pflicht ist und daher von beiden Seiten mit dem absolut nur möglichen Minimum gegeben und gehört wird.

Professoren wollen von der Zeit für ihre Publikationen nicht auch noch Anteile für Interaktionen mit Studenten opfern, und etwa sich Zeit für die Frage nehmen, wie es den Studenten während der Vorlesung gehe, oder was die Antworten auf ihre Frage seien. Das wäre viel zu viel verlangt.

Jeder Ansatz, die universitären Lehrveranstaltungen auch nur irgendwie zu verbessern, muss daher scheitern: Zusatzaufwand, kein Interesse.


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 03:58 Uhr.


Zitat

http://www.chemieonline.de/forum/showthread.php?t=231267

Nick F. 10.05.2016 13:40
AW: Vom Hörsaal zum Lernsaal - oder lieber nicht?

das ist aber ein sehr schoener strohmann, den du da fuer die vorlesenden hast. eindeutig hast du noch nie eine vorlesung gehalten, geschweige denn mal mit einem vorlesenden eine unterhaltung ueber lehre gefuehrt.


Dem TES zu unterstellen, dass er noch keine Vorlesung gehalten habe, ist alles andere als ein Sachargument. Im Übrigen erkenne ich keinen hier wesentlichen Unterschied zwischen Vorlesung und Fachvortrag. Jedenfalls qualifizieren eine größere Zahl gehaltener Fachvorträge zur Teilnahme an dieser Diskussion nach meiner Überzeugung nicht einmal ein Jota weniger als eine vergleichbare Zahl gehaltener Vorlesungen.
Und sollte es sich bei dem TES um eine Person mit Unterrichtserfahrung als Lehrer handeln, dann sollte das Halten einer Vorlesung für Ihn eine eher geringere Kunst sein. Es sei denn , die Fachkompetenz reicht nicht aus. Diese aber ist auch bei Hochschuldozenten nicht selten nur unzureichend gegeben. Wobei ich hier nur für die Chemie spreche. Ich komme darauf zurück.
Andererseits ist der Lehrvortrag die am wenigsten anspruchsvolle Lehrform , bleibt jedenfalls deutlich hinter dem so genannten Lehrgespräch zurück. Wobei ich gern einräume, dass bei größeren Hörerzahlen ein Lehrgespräch nicht in Frage kommt. Da sind wir uns einig.

Zitat

sicherlich gibt es vorlesende, die die lehre nicht kuemmert. die meisten haben aber dennoch den anspruch, eine gute vorlesung zu halten.
Da Anspruch und Wirklichkeit bisweilen weit auseinanderklaffen und dies nicht zuletzt bei der Qualität von Vorlesungen, beinhaltet der vorstehend zitierte Satz nicht einmal eine sachdienliche Behauptung und ist als Argument erst recht untauglich.

Zitat

dein vorschlag "alle" studenten die frage durchdenken und antowrten zu lassen, ist voellig sinnlos. dafuer ist keine zeit und bei hunderten studenten waere das nach den ersten 10 antworten reine zeitverschwendung.

warum werden also fragen gestellt? das kommt auf die frage an. wenn es eine frage zu unbekanntem stoff ist, dann will der vorlesende wahrscheinlich auf eine feinheit hinweisen, ueber die man nachdenken sollte. ist es eine frage zu bekanntem stoff, so ist hier wahrscheinlich ein zusammenhang, den die studenten leicht uebersehen koennen. in beiden faellen ist eine antwort der studenten weder notwendig noch in absehbarer zeit zu erwarten. solche fragen sollen gedanken anregen, keine diskussionen; denn fuer diskussionen sind die uebungen da und nicht die vorlesung.

ausserdem sind solche fragen ein feedback mechanismus. ich kann sehr viel aus den gesichtern der studenten erkennen, wenn ich eine frage stelle. ich brauche keinen studenten der die frage beantwortet, um zu wissen ob der grossteil der studenten mir folgen kann oder nicht.

Dass die Lehrform "Lehrgespräch" für eine Vorlesung mMn nicht einmal ernsthaft erwogen werden kann, habe ich bereits ausgeführt. Was dann aber auch an die Hörer gerichtete Fragen als sinnlos erscheinen lässt. Wer keine Antwort erwartet, sollte also auch nicht den gegenteiligen Eindruck erwecken , indem er Fragen stellt. Wenn also ein Dozent schon eine Frage stellt, um die Antwort bereits nach Sekunden selbst zu geben, dann sollte man erwarten dürfen, dass der Herr/die Dame eine dafür geeignete sprachliche Form findet, die den Hörern deutlich macht. dass man zwar Nachdenken über die Frage, nicht aber eine Antwort erwartet. "Darüber sollten Sie einmal in Ruhe vertieft nachdenken" , könnte ich mir hier als eine geeignete Form vorstellen .
Auch das Argument mit dem Feedback kommt reichlich bemüht daher. So musste ich jedenfalls nicht einmal Fragen bemühen, um in der Regel bereits am Gesicht eines Zuhörers zu erkennen, wenn einer nur Bahnhof verstanden hat.

Zitat

um es kurz zu machen: der hoersaal ist KEIN lernsaal und soll es auch nicht sein. du bist jetzt an einer universitaet und nicht mehr in der schule. lernen musst du selbst und nicht in einer gruppe von hunderten studenten (daher sind schulklassen auch nicht so gross wie vorlesungen).

Nick


Eine zwar im Wesentlichen nicht zu bestreitende und dennoch "nichtsnutzige" Feststellung. Denn in angemessenem Umfang sollte auch jede Vorlesung das Lernen der Hörer unmittelbar fördern und nicht nur die Hörer über das unterrichten , was in der Prüfung "drankommen" kann. Auch wenn zugegeben die beste Erklärung das individuell reflektierende Lernen eines jeden Lernenden letztlich nicht ersetzen kann, so rechtfertigt dies nicht den Verzicht auf das Ringen um die jeweils bestmögliche Erklärung auf Seiten des Dozenten.
Zumindest bei Grundvorlesungen ist es traurige Realität, dass viele Professoren zu meinen scheinen, dass sie den Stoff ihrer Vorlesungen, wenn überhaupt , dann nur noch sporadisch selbst reflektieren müssen. Ich weiß wovon ich rede. Aus vielen Diskussionen mit Professoren und auch der Tätigkeit in Foren, der ich nun seit mehr als 10 Jahren nachgehe. Und dies als quasi "Vollzeitjob".


Zitat

Kaaria 15.05.2016 13:50
AW: Vom Hörsaal zum Lernsaal - oder lieber nicht?

die hier geschilderten Beobachtungen führen, soweit ich sehe, direkt zur Erkenntnis, dass die Hauptursache des beschriebenen Übelstandes - neben dem Festhalten am Konzept der Vorlesung - die Verbindung von Forschung und Lehre ist. Die ist der Grundfehler, aus dem sich alles andere ergibt. Forschende und Lehrende sollten verschiedene Personen mit unterschiedlicher Qualifikation sein. Ein Ansatz dazu ist die Existenz von Akademischen Räten und Lektoren, die ausschließlich Lehraufgaben ausführen. Die sollten die Professoren entlasten und tun das auch, aber nicht ausreichend. Klar ist, dass eine Trennung der Funktionen mit mancherlei Schwierigkeiten und auch mehr finanziellem Aufwand verbunden wäre, auch mit einer unerhörten Privilegierung der nur Forschenden, aber insgesamt wäre es richtig, wobei jeweilige fachspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen wären. Am stärksten profitieren würde der mathematisch-naturwissenschaftliche und medizinische Bereich. Allerdings ist es angesichts der bestehenden Verhältnisse schon vom Ansatz her utopisch.

Was hinsichtlich der Mentalitäten beobachtet wurde, kann man sagen: Je größer das Fach, desto mehr trifft es zu. Historisch gesehen stammt die Verbindung von Forschung und Lehre aus einer Zeit, in welcher der Wissenschaftsbetrieb noch nicht so differenziert und arbeitsteilig war wie heute. Sie ergibt sich nicht aus der (falschen) Annahme, dass die Forschenden die besten Fachleute und daher auch die besten Lehrer seien, sondern einfach aus dem im frühen 19. Jahrhundert noch geringen Grad der Arbeitsteilung, der geringen Stoffmenge und der sehr kleinen Studentenzahl. Die beiden letztgenannten Faktoren ermöglichten eine relativ starke Interaktion von Professoren und Studenten, wie es etwa in einigen Fächern noch heute der Fall ist. Mit dem gewaltigen quantitativen Wachstum des Bildungssystems änderte sich das alles dramatisch, ohne dass die Strukturen entsprechend angepasst wurden.


Ergänzend zur Historie : Ich habe noch Studiengebühren bezahlt. Und dies für jede Lehrveranstaltung, die ich ausweislich meines Studienbuches belegt hatte . Diese Gebühren waren Teil des Entgelts, das ein Professor seiner Zeit erhalten hat. Also : Weniger Hörer = weniger Geld. Ausnahme im Vorlesungsverzeichnis die folgende Lehrveranstaltung, ausgewiesen mit "12 Wochenstunden" : "Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten" ( für Doktoranden unentgeltlich " )

Im Übrigen kann ich Ihnen nur zustimmen, Kaaria

Gruß FKS

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