"Erster Hauptsatz, erstes Brett vorm Kopf"
Mit einer auf den so genannten ersten Hauptsatz gegründeten Thermodynamik wird Schülern, wie Studierenden das erste Brett vor den Kopf genagelt. Denn der "erste Hauptsatz ist so überflüssig wie ein Kropf. Der Versuch ,die Änderung der Inneren Energie U gemäß \[\ dU \ = \ \delta Q \ + \ \delta W \] aufzuteilen, ist aus mehreren Gründen ( zumindest ) didaktisch verfehlt. Zum einem wird mit einem Wärmebegriff operiert, der ebenso undefiniert, wie unkritisch aus unklaren Vorkenntnissen des Alltags übernommen wird.
So verständlich das Ansinnen auf den ersten Blick auch erscheinen mag, den Entropiebegriff erst einmal zu vermeiden, so führt dieser Weg nichtsdestoweniger nach aller Erfahrung nahezu unvermeidlich zur Verfestigung verquerer Vorstellungen zum Begriff "Wärme". Insbesondere gehen Lernende in der Regel nach wie vor davon aus, dass Wärme eine Art Bestandteil eines Systems sei. Dem man im Übrigen auch nicht dadurch hinreichend vorbeugt, dass man sich über Seiten oder Vorlesungsminuten hinweg darüber auslässt, dass die Wärme keine Zustandsfunktion ( Zustandsgröße ) sei, wobei man in der Regel darauf hinzuweisen vergisst, dass dies für alle anderen "Energieformen" ( besser "Energieaustauschformen" ) genau so gilt. Bei Beschränkung auf die Austauschformen "Wärme" und "Arbeit" also auch für die Austauschform "Arbeit". Wobei es didaktisch gesehen auch ein fragwürdiges Vorgehen ist , eine physikalisch unübersehbar anschaulische Eigenschaft über deren rein mathematische Konsequenzen vermitteln zu wollen. Denn wären Wärme und Arbeit Zustandsgrößen, dann wären wären periodisch arbeitende Maschinen, die Wärme in Arbeit "umwandeln" ( oder umgekehrt ) , gar nicht möglich.
Zum anderen ist der Arbeitsbegriff nicht weniger undefiniert. ATKINS hat immerhin begriffen, dass man diesen nicht auf ( - pdV ) beschränken kann. Allerdings zieht er einerseits nicht die erforderliche Konsequenz, den einzig systematisch logischen Ansatz zu fahren. Zum anderen gibt er z.B. für die Austauschform "elektrische Energie" eine falsche Beschreibung an. Richtig ist nämlich \[ dE \ = \ \varphi \ dq \ \ \ \ \ und \ nicht \ etwa \ \ \ \ \ dE \ = \ q \ d \varphi \] Was erkennbar macht, dass auch ATKINS die Systematik der GIBBS-HELLMHOLTZ'schen Beschreibung nicht gegenwärtig gewesen sein kann, als er seine "Physikalische Chemie" verfasst hat.
Weiterhin ist bemerkenswert, dass die Chemische Energie als "Arbeitsform" in der Übersichtstabelle in Kap.2.2b auf Seite 48 ( Auflage 1987, korrigierter Nachdruck 1990 ) nicht auftaucht.
Andere Werke beschränken sich von vorn herein auf \[ \ \delta W \ = \ - \ p \ dV \] und dies in der Regel ,ohne wenigstens darauf hinzuweisen, dass unter "Arbeit"im thermodynamischen Sinn alle Energieformen zu verstehen sind, deren Austausch sich nicht über den Energieträger "Entropie" vollzieht. Was aber eigentlich auch nur eine Konsequenz der verfehlten Logik des ersten Hauptsatzes ist, nach der jeglicher Energieaustauch eines geschlossenen Systems entweder Wärme oder Arbeit sein müsse. Was bitte ist dann z.B. UV - Strahlung ?
Soweit der Begriff " Energieträger" in der Lehrbuchliteratur auftaucht, so wird er dort im Alltagsverständnis und nicht im Sinn einer systematisch - thermodynamischen Beschreibung verwendet. Dort nämlich , z.B. in diversen Arbeiten von FALK - RUPPEL , FALK - HERRMANN , insbesondere dem als "Karlsruher Physikkurs" bekannt gewordenen, konsequent dynamisch angedachten Beschreibungsversuchs - nicht nur der "Thermodynamik", sondern der Physik insgesamt - sind Energieträger alle mengenartigen Größen, von denen Energie quasi "huckepack" genommen transportiert werden kann. Als Beispiele für Energieträger seien hier vorab mal genannt : Die Masse m, der Impuls P ,
das Volumen V, die elektrische Ladung q , die Stoffmenge n und nicht zuletzt die Entropie.
In dieser Systematik stellen sich die so genannten "Energieumwandlungen" als "Umladung" von Energie von einem Energieträger auf einen anderen dar, was ein besseres Verständnis auch insofern befördert, als die Energieträger Zustandsgrößen sind im Gegensatz zu den von ihnen transportierten Austauschformen, die - wie bereits erwähnt - nicht "Bestandteil" eines Systems sind und damit auch keine Existenzformen der Energie darstellen. So jedenfalls für alle reversiblen Vorgänge, d.h. alle Prozesse , bei denen idealisiert angenommen wird , dass Entropie nur ausgetauscht , nicht aber erzeugt wird. Denn wenn Entropie erzeugt werden kann, dann kann die Entropie zumindest nicht allgemein gesehen eine Zustandsgröße sein. Wieso eigentlich nicht ? ( Frage an den Leser )
Auch wenn es dort nur selten explizit zum ausdruck gebracht wird, so landen doch alle Lehrbücher ohnehin irgendwann einmal bei einer Energiebilanz der folgenden Art landen :
\[ dE(m, P , ... S,V,...,n , q) \ = \ ( \ \frac {dE}{dm} \ ) \ dm \ + \ ( \ \frac {dE}{dP} \ ) \ dP \ + \ .... \ \ ( \ \frac {dE}{dS} \ ) \ dS \ + \ ( \ \frac{dE}{dV} \ ) \ dV \ + \ .....\ \ ( \ \frac {dE}{dn} \ ) \ dn \ + \ ( \ \frac {dE}{dq } \ ) \ dq \]
Diese so genannte GIBBS'schen Fundamentalform, die zwar auf den ersten Blick als Monstrum erscheinen mag, die aber nur die mathematische Form ist für die fast schon banale Annahme, dass sich Energieaustausch über verschiedene Austauschformem vollzieht, von denen jede charakterisiert ist durch eine Größe, die wie die Energie selbst mengenartig , also extensiv ist. die diversen Differentialquotienten sind natürlich partieller Natur, wobei ich die vorstehend verwendete , vereinfachte Schreibweise gerechtfertigt sehe, weil ein Differentialquotient, bei dem sich gleichzeitig mehrere Größe verändern, nach meinem Verständnis keinen Sinn ergibt , ein diesbezügliches Missverständnis also auch dann ausgeschlossen erscheint, wenn ich mir hier eine Notation erlaube, die zwar mathematisch nicht korrekt, dafür aber für den Leser übersichtlicher ist. Denn betrachten wir z.B. einmal Flächen A von ebenen Äckern mit variablen Längen x und variablen Breiten y, dann macht die Form
\[ dA( x,y ) \ = \ \ ( \ \frac {dA}{dx} \ ) \ dx \ + \ ( \ \frac {dA}{dy } \ ) \ dy \]
doch nur dann einen Sinn, wenn man bei der Betrachtung der Auswirkungen von Änderungen der Länge x auf die Größe des Fläche A nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass dabei die Breite y konstant bleibt , man also für rechteckige Formen wegen A = x y erhält :
\[ dA(x,y) \ = \ y \ dx \ + \ x \ dy \]
Für ein Rechteck mit der Länge a und der Breite b
\[ \frac {b}{a} \ = \ \frac {y}{x} \ \ \ \ => \ \ \ \ \ y \ = \ \frac {b}{a} \ x \]
\[ dA \ = \ \frac {b}{a} \ \ x \ dx \ + \ x \ \frac {b}{a} \ dx \ = \ 2 \ \frac {b}{a} \ \ x \ dx \]
Integriert von x = 0 bis x = a : \[ A \ = \ \frac {b}{a} \ x^2 \ | \ _0^a \ = \ \frac {b}{a} \ \cdot \ a^2 \ = \ a \ b \]
Was nicht viel beweist, aber immerhin zeigt, dass der Differentialansatz zumindest plausibel ist.