Da dieses Thema, auch für Nicht-Chemiker, recht beliebt ist soll anhand eines Beispieles gezeigt werden wie das genau funktioniert. Obwohl es hierzu schon einen Thread gibt (s. Link "Grundlagen des chemischen Rechnens" weiter unten) wollte ich noch mal etwas spezieller auf dieses Thema eingehen. Es soll eine Ergänzung darstellen. Den ersten Tipp den ich geben möchte gehört auch schon zu den wichtigsten, das ist ein Phänomen welches ich immer wieder beobachte: Die Reaktionsgleichung wird nicht aufgeschrieben. Manchmal sind die Koeffizienten der beteiligten Spezies gleich, ja, aber das muss nicht immer der Fall sein, daher mein Rat um systematisch an solche Aufgabenstellung heranzugehen: Zuerst die Reaktionsgleichung aufstellen, ausgleichen und anschließend mit dem Rechnen beginnen.
Desweiteren gibt es zwei Möglichkeiten um allgemein solche Aufgaben zu lösen, zum einen hätten wir den klassischen Dreisatz, der üblich ist und insbesondere von Chemikern benutzt wird (da es eine recht schnelle Methode ist) und zum anderen gibt es eine Formel hierfür. Letzteres ist im Grunde genommen auch eine Art Dreisatz, ist aber für Leute gedacht, die mit dem Dreisatz in der
Stöchiometrie ("chemisches Rechnen") nicht klar kommen. Ich stelle beides vor und hiernach kann jeder selbst entscheiden für welche Möglichkeit er sich entscheidet.
Konkret soll dies anhand eines Beispieles
gezeigt werden:
Beispielaufgabe:
Weißer Phosphor wird vollständig an der Luft verbrannt, nehmen Sie zur Vereinfachung an, dass ausschließlich Phosphorpentoxid entsteht. Wie viel Gramm Produkt lassen sich bei vollständiger Umsetzung erzielen, wenn 21,3 g Phosphor verwendet werden?
1. Möglichkeit - Dreisatz:
Zunächst einmal sollte die unausgeglichene Reaktionsgleichung aufgeschrieben werden, Edukte links vom Reaktionspfeil, Produkte rechts davon:
\[ P_4 \ + \ O_2 \rightarrow P_4O_{10} \]
Wie komme ich nun zu dieser Annahme? Das ist mehr oder weniger Lernsache: Weißer Phosphor besteht aus
-Ringen, die eine tetraedrische Struktur besitzen. Das ganze sieht folgendermaßen aus:
Weiterhin ist von "Verbrennung" die Rede, eine Verbrennung an der Luft im chemischen Sinne meint eine Reaktion mit Sauerstoff (und da Sauerstoff in der Natur molekular vorkommt muss man stets den Index 2 hinzuschreiben), wobei in der Regel ein großes Produktgemisch zu erwarten ist. Insbesondere bei der Verbrennung von organischen Substanzen können auch Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid, Stickoxide o.Ä. entstehen. Für solche, rein theoretischen Aufgaben lässt man diese aber meist weg.
Verbrennung einer organischen Substanz:
Zur Vereinfachung nimmt man bei einer Verbrennung einer organischen Verbindung oft an, dass es gemäß folgendem Schema abläuft:
\[ a \ Y \ + \ b \ O_2 \rightarrow c \ CO_2 \ + \ d \ H_2O \]
Sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, ist es aber nicht: a, b, c und d meint einfach nur die Koeffizienten wie z.B. "1 Y + 2
reagiert zu (...)". Das sind lediglich die Zahlen vor den Teilchen. Und Y habe ich jetzt mal willkürlich gewählt; es soll allgemein eine organische Verbindung darstellen, mehr nicht. Mithin entsteht immer Wasser und Kohlenstoffdioxid bei einer vollständigen Verbrennung einer organischen Substanz - wenn nichts weiter angegeben ist soll man dies annehmen. Die Symbole a, b, c und d sollen verdeutlichen, dass die Reaktion eventuell noch ausgeglichen werden muss.
Zurück zur Aufgabe: Woher weiß man welche Summenformel das Produkt hat? Auch dies ist wiederum Lernsache, man kann es sich zwar einigermaßen herleiten indem man die "Oxidationszahlen" betrachtet, jedoch hat dies zwei Nachteile: a) man braucht Kenntnis über die Oxidationszahlen (gerade Sauerstoff hat nicht immer die Oxidationsstufe - II) und b) würde man mithilfe der Oxidationszahlen auf die Struktur
schließen (unter "üblichen" Bedingungen liegt jedoch das Dimer,
, vor). Infolgedessen rate ich dies einfach auswendig zu lernen, erspart einiges an Zeit und Arbeit.
Zugegebenermaßen ist dies ein langer Abschnitt allein zur "Reaktionsgleichung", vermittelt aber viele wichtige Informationen. Falls es sich bei der Umsatzberechnung um eine Redoxreaktion handeln sollte, so kann man mithilfe der neu entwickelten Methodik von Herrn Schmidt die Reaktionsgleichung aufstellen und zwar ganz ohne Oxidationszahlen. Für organische Substanzen muss man beispielsweise die Struktur kennen um die Oxidationszahlen zu bestimmen, mit dem neuen System ist dies nicht mehr nötig. Weitere Informationen, Vorteile und die Vorgehensweise zu dieser Methode sind im Thread von Herrn Schmidt sehr ausführlich zusammengefasst:
Das vorliegende Beispiel ist recht einfach, nur noch die Stoffbilanz fehlt. Stoffbilanz heißt: Auf beiden Seiten der Reaktionsgleichungen müssen alle Atome gleichoft vorkommen. Phosphor haben wir auf beiden Seiten vier mal, Sauerstoff jedoch links zwei mal und rechts zehn mal. Am Index dürfen wir nichts ändern (
Index ist die Zahl unterhalb des Atoms/der Atome), lediglich an den Koeffizienten (
Koeffizienten sind die Zahlen
vor den Teilchen). Wenn vor einem Teilchen keine Zahl ("Koeffizient") steht so bedeutet dies ein Koeffizient von eins. Um nochmal zurück zur unausgeglichenen Reaktionsgleichung zu kommen:
\[ P_4 \ + \ O_2 \rightarrow P_4O_{10} \]
Um nun auf beiden Seiten gleich viele Sauerstoffatome zu haben erweitern wir einfach links um die Zahl
5:
\[ P_4 \ + \ \color{blue}{5} \ O_2 \rightarrow P_4O_{10} \]
Wenn wir nun nachzählen:
\[ P_4 \ + \ \color{red}{5} \ O_{\color{red}{2}} \rightarrow P_4O_{\color{red}{10}} \]
Passt also, auf beiden Seiten genau zehn Sauerstoffatome und vier Phosphoratome. Die Reaktionsgleichung hätten wir, die im Übrigen eine Redoxreaktion ist, weiter gehts mit der eigentlichen Rechnung.
Dreisatz:
Für mich war es, als ich dies neu gelernt hatte, damals sehr verwirrend wo denn nun der Unterschied zwischen "Stoffmenge" und "Stoffmengenverhältnis" liegt. Daher kurz einige Worte hierzu: Die Koeffizienten aus der Reaktionsgleichung sind "Stoffmengenverhältnisse" und nicht die Stoffmenge an sich. Das muss man wissen und daher darf man im vorliegenden Beispiel auch nicht um die Masse an Sauerstoff zu berechnen mit n = 5 mol ansetzen, das wäre schlicht falsch. Beim Dreisatz macht man sich das zu nutze, dass es sich um Verhältnisse handelt und nur in diesem Fall darf man damit rechnen. Wer noch nicht weiß was "Stoffmenge" bedeutet kann sich den ausführlichen Thread von Herrn Schmidt hierzu durchlesen, dort werden im Übrigen auch die meisten Grundlagen zum "chemischen Rechnen" (Stöchiometrie) vorgestellt:
Die konkrete Rechnung:
1 mol Phosphor, 30,97 g/mol entsprechen 21,3 g.
1 mol Phosphorpentoxid, 141,96 g/mol entsprechen x g.
Das Stoffmengenverhältnis ist laut Reaktionsgleichung 1:1, d.h. aus einem Mol Phosphor wird auch ein Mol Phosphorpentoxid. Die Masse ist aus der Aufgabe entnommen. Die "molare Masse M" (vergleiche o.g. Link) lässt sich entweder aus Tabellenwerken entnehmen, aus dem Internet - am schnellsten unter Wikipedia - oder aus dem Periodensystem lassen sich die Einzelmolmassen zusammenaddieren. Womit die molare Masse, in der Einheit Gramm pro Mol, auch stets "gegeben" ist. Der Rest ist Dreisatz:
\[ x = \frac{1 \ mol \cdot 141,96 \ \frac{g}{mol} \cdot 21,3 \ g}{1 \ mol \cdot 123,88 \ \frac{g}{mol}} \]
\[ x = 24,408685825 \ g\]
Und das wäre auch schon der Ansatz über Dreisatz, es entstehen 24,4 Gramm Produkt. Die Nachkommastellen habe ich absichtlich fürs Erste so gelassen (s. hierzu weiter unten den Abschnitt "Signifikante Stellen - richtig abrunden").