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Mittwoch, 1. April 2015, 09:45

Karlsruher Apparatur zur Wasserdampfdestillation : wann belüften ?

Guten Tag,

ich versuche, den Gehalt an ätherischen Ölen in einer Arzneidroge zu bestimmen,mittels der sog.Karlsruher Apparatur (das ist die offizinelle DAB und Ph Eur Methode). Es handelt sich dabei um eine RÜcklauf-Wasserdampfdestillation, bei der das ätherische Öle in einer Vorlage von Xylol in einer Mikrobürette gesammelt wird, während das überdestillierte Wasser dem Destillationskolben wieder zugeführt wird. Die Apparatur kann oberhalb der Bürette mit einem speziellen Stopfen mit seitlicher Bohrung entweder belüftet oder gegenüber der Atmosphäre verschlossen werden. Ich habe die Apparatur selbst vor ca 10-15Jahren öfter mit Erfolg benutzt, seitdem nicht mehr, und ich habe offenbar eine entscheidende Einzelheit nicht mehr richtig in Erinnerung. Das DAB/PhEur schweigt sich über diesen Punkt aus.

Die konkrete Frage lautet : wann muss die Apparatur gegenüber der Atmosphäre geschlossen werden (mit dem erwähnten "Karlsruher Stopfen") ? Zu Beginn der Destillation muss die Apparatur offen sein, da sonst infolge des Temperatur und Druckanstiegs der Stopfen herausgeschleudert oder die Apparatur explodieren würde. So steht es auch im DAB. Bislang war ich der Meinung, dass die Apparatur verschlossen werden muss, sobald eine stabile Destillationsgeschwindigkeit erreicht ist, und zwar um Verluste von Xylol und ätherischem Öl zu vermeiden. Wenn ich allerdings während des Betriebs den Hahn zur Atmpshäre schliesse, hört das Wasser auf zu sieden (klar, wegen des ansteigenden Drucks), dann setzt das Sieden plötzlich wieder schlagartig ein (wie ein heftiger Siedeverzug) und schleudert dabei Wasser und Droge durch die ganze Apparatur. Ich mache offenbar etwas falsch, weiss aber nicht was. Muss die Apparatur dauernd geöffnet bleiben ? In dem Fall verstehe ich nicht, weshalb es diese Möglichkeit, die Apparatur zu schlliessen überhaupt gibt. Wie gesagt, DAB und PhEur sagen nichts zum Schliessen, nur, dass die Apparatur am Anfang belüftet werden muss.

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Mittwoch, 1. April 2015, 13:24

So steht es auch im DAB. Bislang war ich der Meinung, dass die Apparatur verschlossen werden muss, sobald eine stabile Destillationsgeschwindigkeit erreicht ist, und zwar um Verluste von Xylol und ätherischem Öl zu vermeiden.


Dass im geschlossenen System destilliert werden soll , kann ich mir nicht vorstellen. Das Vermeiden von Verlusten muss mMn anders funktionieren. Ihrer Diagnose "rund um den Siedeverzug" stimme ich in vollem Umfang zu.

Beim googeln nach "Karlsruher Appararatur" habe ich u.a. dies gefunden

http://www.google.de/imgres?imgurl=http:…=LcCWdzeKvigzFM

Entspricht die dort abgebildete Apparatur exakt oder im Wesentlichen derjenigen, die Sie meinen ?

Gruß FKS

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Mittwoch, 1. April 2015, 15:32

Das ist die ursprüngliche, von Stahl erfundene Apparatur. Solche Apparaturen sind noch immer im Gebrauch, aber das DAB und die PhEur schreiben eine leicht abgeänderte Version vor. Das Prinzip ist aber immer noch dasselbe. Der Kühler in der modernen Apparatur ist als absteigender, vertikal angebrachter Kugelkühler ausgeführt und der Belüftungsstopfen befindet sich unterhalb des Kühlers, zwischen Kühler und Mikrobürette.

Dass es nicht zu Verlusten kommen sollte, selbst in der offenen Apparatur, denke ich mir auch, da Xylol einen Siedepunkt deutlich oberhalb 100°C ha.

Habe ein Bild aus dem DAB angehängt. Der ominöse Stopfen ist mit K' bezeichnet. Es ist ein Hohlglasschliffstopfen mit seitlicher Bohrung, eine entsprechende Bohrung gibt es im Kegel K. Wenn beide zur Deckung gebracht werden, kommuniziert die Apparatur mit der Atmosphäre. Wenn man die Stopfen dann dreht, so dass die beiden Bohrungen nicht mehr übereinanderliegen, ist die Apparatur geschlossen. Warum gibt es diese Möglichkeit überhaupt, wenn sie, wir mir scheint, für den Versuch eigenltlich nicht gebrauch wird ?
»Unda maris« hat folgende Datei angehängt:

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Mittwoch, 1. April 2015, 21:40

Besagte Apparatur findet sich bei Neubert Glas (...nach Brückner), und hierzu hätte ich diesen Link präsent:[url]https://books.google.at/books?id=ErLPBgAAQBAJ&pg=PA441&lpg=PA441&dq=glasapparatur+nach+br%C3%BCckner&source=bl&ots=Zl3xLzr50B&sig=Li6tn3qRNfkLg09dqU0riPlhY7A&hl=de&sa=X&ei=YEYcVaeZCYvgaL7CgOAP&ved=0CDEQ6AEwAg#v=onepage&q=glasapparatur%20nach%20br%C3%BCckner&f=false[/url]

Eine hermetisch verschlossene Destillationspparatur unter Normaldruck kann m.E. nicht wirklich funktionieren. Offenbar ist der Stopfen für Füllvorgänge vorgesehen. Sogar bei Destillation mit absoluten Ansätzen findet sich kein hermetischer Verschluss, sondern ein Tockenrohr mit geeeigneten Trockenmitteln zum Gasaustausch.

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Donnerstag, 2. April 2015, 08:25

Ja, die in dem Link gezeigte Apparatur ist die Apparatur nach Brückner. Eine solche habe ich auch, aber die ist zur Bestimmung mit kleineren Drogenmengen nicht geeignet, weil sie in meiner Ausführung nur eine Bürette mit 1/10 ml Einteilung besitzt, die Karlsruher Apparatur hat eine 1/100 ml Mikrobürette. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass in der Brückner-Apparatur der Druckausgleich über das Wasserreservoir (den wassergefÜllten Trichter mit Gummischlauch) erfolgt, ein gelochter Stopfen wie in der "Karlruher" Apparatur fehlt.
Aber ich gebe Dir Recht : 1. in einer geschlossenen Apparatur kann die Destillation nicht klappen, und 2. deine Vermutung, dass der Stopfen für die Zugabe von Stoffen gedacht ist, trifft mMn nach zu : denn immerhin muss man ja das Xylol, in dem sich das ätherische Öl vom Wasser trennen und lösen soll, irgendwie in die Mikrobürette befördern, und das geht nur über diese Öffnung im System. Vermutlich hat dieser Schliffhals K gar keine weiter Funktion, und der Stopfen K' muss immer in der geöffneten Stellung bleiben während der Destillation.

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Donnerstag, 2. April 2015, 08:50

Zunächst möchte ich mich bedanken für die detaillierte Abbildung und den Namen. Ich besitze zwar das Gerät, aber ein Name war mir nicht bekannt und meine Abbildung dann doch eher bescheiden: http://www.chemieonline.de/forum/showthread.php?t=195023

Wirklich weiterhelfen kann ich Ihnen leider nicht. Nur mitteilen, dass ich K auch immer offen gelassen hatte. Fehlendes Wasser habe ich übrigens über die Öffnung N nachgefüllt.

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Donnerstag, 2. April 2015, 10:27

Zunächst möchte ich mich bedanken für die detaillierte Abbildung und den Namen. Ich besitze zwar das Gerät, aber ein Name war mir nicht bekannt und meine Abbildung dann doch eher bescheiden: http://www.chemieonline.de/forum/showthread.php?t=195023
Die Abb. ist im DAB abgedruckt, und wahrscheinlich auch in der PhEur.

Ich habe sie der Einfachheit halber einer Dissertation entnommen, die elektronisch im Volltext verfügbar (und übrigens sehr lesenswert) ist :

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&e….89744112,d.d2s
Wirklich weiterhelfen kann ich Ihnen leider nicht. Nur mitteilen, dass ich K auch immer offen gelassen hatte. Fehlendes Wasser habe ich übrigens über die Öffnung N nachgefüllt.
Doch, allein die Bestätigung, dass K offen bleibt, ist hilfreich.
Daher vielen Dank an alle, die hier geholfen haben.

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Dienstag, 7. April 2015, 11:42

Eine schöne Doktorarbeit. Was mir noch einfällt wäre, zurückzugehen zur Original-Quelle der Abbildung. Der Detail-Reichtum lässt mich hoffen, dass dort auch genauere Erläuterungen stehen.

Lt. der Diss. ist die Quelle das Ph. Eur. 1997 (vielleicht findet sich dort aber auch nur ein weiterer Quellenverweis?), aber darauf habe ich keinen Zugriff. Ich hake da nicht ganz uneigennützig nach, mich würde selbst interessieren, was da steht.

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Mittwoch, 8. April 2015, 09:31

Die Abbildungen im DAB und PhEur sind absolut identisch, der Text gleichlautend. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einen Scan zukommen lassen. Bin aber im Augenblick im Urlaub, muss also um eine Woche Geduld bitten.

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Donnerstag, 16. April 2015, 15:12

Die Abbildungen im DAB und PhEur sind absolut identisch, der Text gleichlautend. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einen Scan zukommen lassen.
Ich bitte darum. Vielen Dank schon mal für Ihre Hilfe!

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Donnerstag, 16. April 2015, 16:35

Gerne.
Bitte nur um email Adresse via PN.

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Mittwoch, 22. April 2015, 09:37

Nun, da ich die Apparatur und deren Verwendung einigermassen im Griff habe, stellt sich ein weiteres Problem ...

Der Auftraggeber möchte auch den Gehalt an ätherischem Öl in den Stengeln bestimmt haben (es handelt sich bei der Droge übrigens um Artemisia annua L.). Wenn ich die Destillation mit den gemahlenen Stengeln (die z.T. sehr stark verholzt scheinen) durchführe, nimmt das Volumen des vorgelegten Xylols ab, statt zu. Der Effekt ist reproduzierbar.
Woran könnte das liegen ?

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Mittwoch, 22. April 2015, 22:02

Nun, da ich die Apparatur und deren Verwendung einigermassen im Griff habe, stellt sich ein weiteres Problem ...

Der Auftraggeber möchte auch den Gehalt an ätherischem Öl in den Stengeln bestimmt haben (es handelt sich bei der Droge übrigens um Artemisia annua L.). Wenn ich die Destillation mit den gemahlenen Stengeln (die z.T. sehr stark verholzt scheinen) durchführe, nimmt das Volumen des vorgelegten Xylols ab, statt zu. Der Effekt ist reproduzierbar.
Woran könnte das liegen ?
Wenn dass Volumen des Xylols abnimmt sollte sich die Dichte des Raffinates auch ändern - sofern das Lömi in der Apparatur blieb.

Nebenbei, auch wenn das sehr seltene Pflänzlein entsprechend kostbar ist - in den Stängeln dürfte sich wohl eher eine verschwindende Ausbeute des begehrten Dihydroartemisinins finden. Neugierig nachgefragt - wo findet man heute noch nennenswerte Bestände des Einjährigen Beifußes zur Wildsammlung?

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Donnerstag, 23. April 2015, 07:30

Klar, die Dichte würde sich ändern. Das ist aber unmöglich zu messen, da während des Siedens ja eine Menge anderer Stoffe aus dem Kraut extrahiert werden (man kocht ja richtig heftig darauf rum während 1-2 h), die die Dichte viel stärker beeinflussen werden. Und : der Einfluss von ein paar Mikrolitern Xylol, die in 2 L Wasser dispergiert sind, ist praktisch vernachlässigbar und wahrscheinlich kaum erfassbar.

Es handelt sich nicht um eine Wildsammlung, sondern um angebautes Material aus Europa. Wegen der nachgewiesenen Wirksamkeit gegen Plasmodien gibt es ein riesiges Forschungsinteresse, deswegen wird die Pflanze bei uns angebaut, wie es scheint, mit gutem Erfolg. Dazu kommen neuere Erkenntnisse, dass die Pflanze auch gegen andere Übel wirksam ist, und man versucht natürlich herauszufinden, worin die Wirksamkeit begründet ist. Ausserdem muss festgestellt werden, ob die in Europa angebauten Pflanzen dieselbe Wirksamkeit besitzen wie das Material aus anderen Gegenden der Welt. Es geht auch längst nicht mehr "nur" um Artemisinin und verwandte Substanzen. Das Ganze ist allerdings mit grosser Vorsicht zu geniessen, da viel in Drittweltländern "geforscht" wird und dort herrschen meiner Erfahrung nach andere Masstäbe, was die Publikationsethik angeht. Deshalb habe ich auch keine grosse Lust, da einzusteigen.

15

Donnerstag, 23. April 2015, 17:36

Klar, die Dichte würde sich ändern. Das ist aber unmöglich zu messen, da während des Siedens ja eine Menge anderer Stoffe aus dem Kraut extrahiert werden (man kocht ja richtig heftig darauf rum während 1-2 h), die die Dichte viel stärker beeinflussen werden. Und : der Einfluss von ein paar Mikrolitern Xylol, die in 2 L Wasser dispergiert sind, ist praktisch vernachlässigbar und wahrscheinlich kaum erfassbar.
Schon klar, dass in diesem Maßstab Messungen dahingehend keinen Sinn machen - aber man muß ja nicht Pregl huldigen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Freilich mühsam, aber weshalb nicht mit weit größeren Probenansätzen und mit Lösungsmitteln ähnlicher Polarität, die nur ein paar "Stufen" weiter auseinander liegen wie z.B. Tetra, Chloroform, Benzol u.ä. Absorbtionsversuche anstellen um große Ausreisser in der Reihe zu erkennen, die auf entsprechende Nebenraktionen schließen lassen?

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